Karsee

FRIDOLIN STIER
 
Ein bedeutende Persönlichkeit Karsees war und ist bis heute Fridolin Stier, der älteste Sohn des Schulmeisters Wendelin Stier, der als Lehrer den Oberhof, das Hofgut seiner Frau Theres Hofer 1911 übernommen hatte.  Er wuchs als Ältester von 8 Kindern auf - eng mit der Natur und dem bäuerlichen Leben verbunden. Vater und Ortspfarrer führten den begabten Schüler auf den Weg zum Theologiestudium über das Konvikt in Rottweil in das Tübinger Wilhelm Stift. Es folgten Studienjahre in Rom in Theologie und Orientalistik.1927 empfing Fr.Stier die Priesterweihe und nach einer kurzen Zeit des Vikariats in Heilbronn und Stuttgart promovierte er im Alten Testament und wurde dessen Lehrbeauftragter an der Universität Tübingen. 

Was machte ihn nun so besonders und zu einem bis in die Gegenwart präsenten und hineinwirkenden christlichen Theologen, von dem seine Hörer posthum sagten “  keiner kann heute sagen, welches theologische Profil er ohne diese Kollegstunden gewonnen hätte…Ich spreche von Glück , damals dabei gewesen zu sein  ( Prof Reinhardt / Universität Tübingen ).

Fridolin Stier war früh fasziniert von den unterschiedlichen Sprachen, und ihrem je eigenen Ton, mit denen er im Rahmen seiner orientalistischen Studien zu tun hatte. So übersetzte er eine Zeitlang aus purem Vergnügen als erstes am frühen Morgen persische Gedichte, lernte Spanisch, um die spanische Literatur im Originaltext lesen zu können. Seine Vorlesungen basierten auf eigenen Übersetzungen und mit dem Wort nahm er es äußerst genau. Sein Maß beim Übersetzen biblischer Texte war nicht die tagesaktuelle Sprech.- um Schreibsprache, sondern der in fremder Sprache auf uns zu gekommene Text. Sein Anliegen, dem er sich verschrieb, war es seine Eigenart durch die Übersetzung hindurch zu bewahren.
So hatte die Texttreue immer den Vorrang vor uns liebgewordenen und eingeschliffenen theologischen Gewohnheiten, so dass man als Leser öfter überrascht wird, wenn man so sehr vertraute Texte in seiner Übersetzung liest.  
Die von ihm öfter vorgefundene Sprache der Theologie reizte ihn immer wieder zu beissenden Zornesausbrüchen: „ ..Sprache ,die an Fettwucherungen, Lipomen leidet, an Ödemen , wässrigen Aufschwemmungen..“
Fridolin Stier hinterließ etliche Übersetzungen, die weithin große Anerkennung fanden: das Buch Hiob. die Psalmen und nicht zuletzt das Neue Testament, das Freunde von ihm post mortem vollendeten und zur Veröffentlichung brachten.

Das Ringen mit dem Wort war das eine - lebensbeherschende Thema, Das Ringen um den Sinn des Lebens angesichts des Widersinns das andere.
 “Mein Problem“ sagte er, „ist nicht, ob Gott ist oder nicht, das meine beginnt damit, dass er Er ist.“  
Im Umgang mit „seinem Problem“ - das ja eigentlich das „Problem“ von vielen von Religion geleiteten und inspirierten Menschen ist, verfasste er für sich ein Fahrten.- und Logbuch, wie er es selber nannte und das auf Drängen von Freunden als Tagebuchaufzeichnungen veröffentlicht wurde.  
Kleine Anlässen des täglichen Lebens wie der Zeitungsbericht über eine Kaninchenschau bis zu existentiellen Fragen nach Sinn oder Sinnlosigkeit des Lebens, der Schilderung des Schmerzes über den Tod seiner Katze als Stellvertreterin aller Geschöpfe, eigene Gedichte und Fabeln, Auseinandersetzungen mit der Naturwissenschaft zeigen ein intensives Ringen, das auf seine Weise viele Menschen fasziniert und berührt hat. Oft auch die nicht kirchlich sozialisierten. - gerade wegen seiner zum Teil unerbittlichen Wahrhaftigkeit wegen…
Er hat den Tagebüchern den Satz vorangestellt:
„Die Wahrheit suchend, finde ich nichts als Wahrheiten“ …Aber der Tenor der Bücher bleibt nicht bei der Resignation oder Verzweiflung stecken. Es bleibt ihm bei aller Fragwürdigkeit ein `Vielleicht´, das er uns als große Frage hinterlassen hat, beschrieben in einem Gedicht, das dann den Titel des ersten Tagebuch stiftete:

 

„Aus dem Spalt in der Wand des Alls – in das finstere Verlies,
brach plötzlich – o schön! – ein Schein und schwand.
– Ist vielleicht? ist irgendwo? Vielleicht ist irgendwo Tag."

 

Zur Resonanz seiner Schriften:

 

Karl Rahner:“ Ich kenne keinen lebenden Theologen, den so wie Stier die Welt der Naturwissenschaften mitten in seinen theologischen Fragen und Überlegungen bewegt.

Bernhard Hermann (Chefredakteur der Zeit) : Dieses Buch ist faszinierend und bewegend, nicht nur der Sprachmächtigkeit des Autors, sondern vor allem auch seiner radikalen Wahrhaftigkeit wegen…Man muss nicht Theologe sein, um dieses Buch zu lesen. Aber Theologen sollte es lesen müssen.

Friedrich Heer ( Redakteur Die Presse Wien ) : „ das Buch des Fridolin Stier ist eine spirituelle,geistig intellektuelle Dokumentation wie kaum eine andere seit 1945 ( und vorher ) im ungeschützten Raum der deutschen Sprache.“  

Paul Konrad Kurz ( Allgemeines deutsches Sonntagsblatt ):  
„ Stier hat ein Elementarbuch der Glaubenserfahrung übergeben. Diese Tübinger Aufzeichnungen werden in die Bewusstseins.- und Glaubensgeschichte der deutschsprachigen Christen eingehen.Es wird die Gestalt eines prophetischen Christen sichtbar,ein Leidens- und Trostbuch des späten 20.Jahrhunderts.“  

 

Literatur von und über Fridolin Stier:

- Das Buch Ijob,Stuttgart : kbw, Bibelwerk, 2011

- Geschichte Gottes mit dem Menschen
Stier, Fridolin. - Stuttgart : kbw, Bibelwerk, 2011, Neuausg.

-Vielleicht ist irgendwo Tag
Stier, Fridolin. - Freiburg im Breisgau : Herder, 1993

-Das Neue Testament
München : Kösel, c 1989, Studienausg.

-An der Wurzel der Berge
Stier, Fridolin. - Freiburg im Breisgau : Herder, 1984

-Das Vaterunser
Stier, Fridolin. - Kevelaer/Rhld : Butzon u. Bercker, 1967

-Die Heilbotschaft nach Markus
Markus, Evangelist, Heiliger. - Düsseldorf : Patmos-Verl., [1965]

 

 

 

Diese Tafel ist neben der Sakristei an der Kirche St. Kilian angebracht