Karsee

Karsee früher

Die Ortschaft und Pfarrei Karsee ist die Kleinste unter den sechs Ortschaften Wangens. Das Schicksal Karsees war vom Mittelalter bis zum Zerfall des Alten Reiches eng mit dem Kloster Weingarten verbunden. Durch Kauf und Schenkungen hat das Stift einen ansehnlichen Güterkomplex in dieser Gegend erworben, der vom Amt Karsee verwaltet wurde. Nach der Aufhebung des Klosters (1803) wurden die Weiler und Höfe des Amts den benachbarten Gemeinden zugeschlagen. 1806 wurde die Gemeinde Eggenreute gebildet. Im Jahre 1934 wurde sie unter den Nationalsozialisten aufgelöst und der Gemeinde Amtzell zwangszugeordnet. Die Bürger der Pfarrei Karsee ließen jedoch nicht "luck" und erreichten nach dem 2. Weltkrieg, dass der Landtag von Südwürttemberg-Hohenzollern im Jahre 1952 der Bildung der Gemeinde Karsee zustimmte.

 

Foto von 1880

 

Selbständigkeit und Eingemeindung

Die Selbständigkeit von Karsee dauerte nur knappe 20 Jahre - 1972 wurde die Ortschaft im Rahmen einer freiwilligen Vereinbarung in die Stadt Wangen im Allgäu eingegliedert und verfügt über einen garantierten Sitz im Gemeinderat.

 

Foto von 1938

 

Karsee im Spiegel alter Urkunden

Vorwort und Inhaltsangabe

Als Ergänzung zu den bisherigen geschichtlichen Berichten über Karsee wird im folgenden versucht, unsere Dorfgeschichte so zu betrachten, wie sie in alten Schriften und Urkunden aufgezeichnet ist und erforscht werden konnte.

Wegen der Selbständigkeit dieser dreiteiligen Arbeit sind einige Wiederholungen aus den früheren Abhandlungen unvermeidbar.

Der erste Teil befasst sich mit einer Deutung unserer Orts- und Siedlungsnamen und mit urkundlichen Namensnennungen aus der Dorfgeschichte im Wandel der Jahrhunderte.

Der zweite Teil enthält eine Beschreibung unseres Sees und eine biologische Beurteilung desselben aus dem Jahre 1972 vom Dipiombiologen Ernst Brändle, Tübingen.

Im dritten Teil ist die Inhaltsangabe der alten verschwundenen Pfarrchronik von 1691 wiedergegeben und ein Bericht von den Nachforschungen über dieses unersetzliche heimatgeschichtliche Dokument.

Karsee, im Oktober 1989, Ernst Praschak

Quellenangabe mit Kurzbezeichnungen

Das Königreich Württemberg,Band 4 (KW4)

Geschichte des Allgäus von Baumann (Ba)

Oberamtsbeschreibung des Kreises Wangen v.Prof.Pauly (OAB)

Beschreibung des Oberamts Ravensburg von Memminger (Me)

Geschichte des Hauses Waldburg von Vochezer (Vo)

Auszüge aus Urkunden vom Repertorium Weingarten (RW)

Heimatkundliche Prüfungsarbeit von H.Burst (Bu)

Gemeinde Amtzell einst und jetzt von L.Frisch (Fr)

 

Deutung   von  Ortsnamen   und   urkundliche   Namensnennungen

a) Vorbemerkungen

Seit der Gemeindegründung im Jahre 1952 gehören zum Ortschaftsbereich Karsee 42 Ortsteile mit etwa 1200 ha Land. Die Einwohnerzahl ist seither von etwa 650 auf 550 gesunken. Es ist jedoch zu erwarten, daß sie durch die Erschließung der neuen Siedlungsgebiete Kirchberg und Jugendheimstraße wieder ansteigt.

Mehr als die Hälfte der Siedlungen sind Einzelhöfe, die neben dem früheren oder jetzigen Besitzernamen auch ihren eigenen Hof- oder Weilernamen aufweisen.

Merkwürdige, dem Ortsfremden ungewohnte Formen sind darunter und wecken den Wunsch nach Deutung und Klärung, die keineswegs einfach ist.

Vielfach sind besondere örtliche Verhältnisse für die Deutung eines Namens maßgebend, manchmal bedarf es dazu besonderer Kenntnisse der Sprachformen und der Sitten und Gebräuche vergangener Jahrhunderte. Oft auch enthält die Mundart oder ein Personenname den einzigen Hinweis für eine eventuelle Deutung.

Manche Namen weisen auf Lage, Grundstücksform, Landschaft, Geländeform, Waldbestand, Rodung oder auch auf historische Begebenheiten hin.

Das Einödsystem mit Weilern und Höfen zeigt, wie im gesamten Allgäu so auch bei uns, Namen und Namenverbindungen mit Ach, Aich, Bach, Berg, Bühl, Egg, Feld, Gut, Grub, Gschwendt, Hag, Halde, Haus, Hof, Holz, Lehen, Loch, Moos, Reute, Ried Steig, Tal, Tobel, Wald, Weiler, Wies u.a.

Mehrere unserer Ortsteile lassen sich unter diese Namen einordnen. Eine vollständige Deutung unserer Ortsnamen war jedoch nicht möglich. Mancher Versuch begründet sich nur auf Vermutungen.

Urkundlich läßt sich nachweisen, daß um das Jahr 800 das Kloster Sankt Gallen, gegründet 614, in unserem Heimatgebiet erheblichen Grundbesitz erworben hatte.

Nach St.Gallener Urkunden war z.B. Wangen 815, Karbach 853 und Niederwangen 856 in Sankt Gallener Besitz. Noch heute bestehen zwischen Wangen und Sankt Gallen gute städtische und persönliche Verbindungen.

Zwei altsanktgallische Urkunden sind für Karsee von besonderer Bedeutung, da sie die Siedlungen Englisweiler und Ruzenweiler betreffen, die in den Jahren 861 und 870 genannt werden. (Darüber ist ausführlich berichtet)

Zum Kloster Sankt Gallen gehörte auch die Herrschaft Praßberg. Sie war als Lehen dem Dienstmannengeschlecht "von 'Praßberg" verliehen worden. Die Burg wurde im Jahre 1123 erbaut, also 70 Jahre vor unserem Kirchenbau.

Als Besitz "derer von Praßberg" taucht dann auch Karsee in den Urkunden auf.

Ob unser Dorf vorher ebenfalls einem Ritter-Dienstmannengeschlecht unterstand oder dem Kloster Weingarten gehörte, ließ sich nicht feststellen.

Teile unseres jetzigen Gemeindegebietes unterstanden außer dem Kloster Sankt Gallen zur gleichen Zeit noch den Herren von Montfort-Tettnang.

Etwa zwischen 1100 und 1300 vergrößerte das Kloster Weingarten durch Käufe und Stiftungen seinen Besitz immer mehr. Im Grenzbereich seines Einflussgebietes wurden auch die Siedlungen unserer Pfarrgemeinde zum größten Teil in den Besitz des Klosters einbezogen.

Begünstigt wurde dies durch den Niedergang der alteingesessenen Adelsgeschlechter, die ihre Grundherrenrechte nicht mehr ausüben konnten oder aber missbrauchten, indem sie ihre Hörigen zu stark mit Zinsen und Abgaben belasteten.

Für den größten Teil unseres Ortschaftsbereichs ist diese Übernahme der Besitzrechte durch das Kloster urkundlich nachweisbar. Die Urkunden, die bei den Käufen und Schenkungen ausgestellt worden waren, befinden sich heute im Hauptstaatsarchiv Stuttgart unter dem Register "Repertorium Weingarten."

Aus dem Jahre 1533 existiert auch eine Güterbeschreibung der Pfarrei Karsee von Pfarrer Konrad Lang, die sich ebenfalls im Hauptstaatsarchiv Stuttgart befindet.

Bei den wörtlich zitierten Berichten handelt es sich hauptsächlich um Abschriften aus Urkunden und verschiedenen Schriften, die im Quellenverzeichnis aufgeführt sind.

Sie stehen meist unter Anführungszeichen und stammen aus zweiter und dritter Hand, da die Urkunden selbst nur schwer zugänglich waren und nicht weitergegeben wurden.

Über die Zugehörigkeit des Dorfes und seiner Ortsteile zu den verschiedenen Gemeinde- und Pfarrverbänden ist in meiner kommunalpolitischen Geschichte von Karsee ausführlich berichtet. Um dem interessierten Leser ein Nachschlagen zu ersparen, sei hier kurz wiederholend zusammengefasst:

Bis zum Jahre 1808 teilten sich die Klöster Sankt Gallen, Weingarten und Weißenau, die Freien Reichsstädte' Ravensburg und Wangen, die Herrschaften Waldburg und Wolfegg die Besitzrechte über die Siedlungen des jetzigen Ortschaftsbereiches.

Verwaltung und Gerichtsbarkeit lagen bei den Grundherren, bei den Fürsten und Grafen, den Klöstern und Kirchherren, bei Burg- und Landvögten und bei Adelsgeschlechtern.

Unser Gebiet war vorderösterreichisch. Pfarrei und Kirche gehörten zum Bistum Konstanz und zum Landkapitel Friesenhofen/lsny.

Es ist schwer zu ergründen und würde zu weit führen, die oft verworrenen und undurchsichtigen Besitzverhältnisse und Verwaltungszuständigkeiten im Hin und Her der Schenkungen, Käufe und Verkäufe darstellen zu wollen.

Mit der Säkularisation (Verstaatlichung) unter Napoleon begann ein neuer Zeitabschnitt in der Geschichte unserer Gemeinden. Erst nach Loslösung unseres Gebietes von Österreich und nach der Gründung des Königreichs Württemberg im Jahre 1806 gab es Gemeinden in unsrem Sinne.

 

Gemeindepolitische Zugehörigkeit

Politisch gehörte das Dorf Karsee der etwa seit 1780 bestehenden Schultheißenei Vogt an, die der Landvogtei Altdorf/Weingarten und somit zu Vorderösterreich gehörte.

Im Jahre 1803 kam die Gemeinde Vogt zu Württemberg und mit ihr auch Karsee und folgende Höfe und Weiler: Abraham, Aich, Baumann, Berg, Blaser, Edengut, Endersen, Grub, Hartmannsberg, Spiegelhaus, Kehlismoos, King, Luben, Oberholz, Riefen, Schweinberg, Sommers (außer Holzmann), Spiegelhaus, Unterholz, Untersteig und Zeihers.

Nach einer listenmäßigen Aufstellung in dem Buch "Amtzell einst und jetzt" von Ludwig Frisch gehörten seit 1389 folgende Wohnplätze unseres heutigen Ortschaftsbereichs, die vorher direkt dem Kloster Weingarten unterstanden, zum "Amt um Amtzell": Albishaus, Böschlishaus, Brenner, Edenhaus, Eggenreute, Eggerts, Englisweiler, Felbers, Hag, Hochberg, Kohlhaus, Luß, Oberhalden, Oberhof, Oberwies, Ruzenweiler, Siggenhaus und Steißen.

Diese Parzellen (außer Brenner, Kohlhaus, Luß, Oberhof und Oberwies, die bei Amtzell verblieben) wurden im Jahre 1802 vorübergehend dem Prinzen von Oranien in Südfrankreich unterstellt und im Zuge der Säkularisation mit Einschluß der oben nicht genannten Ortsteile Niederlehen, Sommers: (nur Holzmann) und Unteregg und weiteren 19 Wohnplätzen der heutigen Gemeinde Amtzell, als Gemeinde Eggenreute zusammengefaßt, der Krone Württemberg unterstellt, im Jahre 1806 dem Oberamt Altdorf und 1810 dem Oberamt Wangen unterstellt. Eine Gedenktafel in Albishaus erinnert noch daran. (Siehe auch Gemeindegeschichte Seite 3).

 

Die Gemeinde Eggenreute war somit ein ansehnlicher Gemeindeverband mit 15 Wohnplätzen von Karsee und 19 Wohnplätzen von Amtzell, nämlich Blitzer, Dietrichs, Edensbach, Ettenlehen, Feld, Geiselharz, Goppertshäusern, Haselmühle, Heselboschen, Hochburg, Ibental, Kehlings, Lohren, Luppmann, Lußmann, Muschen, Stadels, Steppach und Wüstenberg.

 

Sie bestand bis zum Jahre 1934 und wurde dann zur Gänze wieder der Gemeinde Amtzell zugeteilt, die sich damit um 900 Hektar Markungsfläche und 350 Einwohner vergrößerte.

Für die Pfarr- und Schulgemeinde Karsee bedeutete diese Eingemeindung nach Amtzell keine Änderung ihrer Struktur, denn die vormaligen 15 Ortsteile der Gemeinde Eggenreute verblieben weiterhin im Kirchen- und Schulverband Karsee.

 

Mit Wirkung vom 1.Oktober 1952 wurde Karsee die jüngste und 41. selbständige Gemeinde im Kreis Wangen in einem Umfang der bisherigen Pfarrgemeinde mit 42 Ortsteilen aus den Gemeinden Vogt, Kreis Ravensburg und Amtzell, Kreis Wangen.

 

Ihre Grenzen haben sich glücklicherweise auch nach der Eingliederung in die "Große Kreisstadt Wangen im Allgäu" im Jahre 1972 nicht verändert.

Kirchliche Zuständigkeiten

Nach urkundlichen Berichten war Karsee seit 1275 Pfarrort, und seit 1294 hatte das Kloster Weingarten den Geistlichen für die Pfarrei zu unterhalten.

 

Jahrhundertelang bestimmte dann das Kloster Weingarten die Zuständigkeiten im kirchlichen Bereich der Pfarrei. Sie liefen völlig anders als die weltlichen und zeigen sich manchmal genauso verwirrend und unverständlich.

Ich beschränke mich hier auf Ereignisse vom Jahre 1800 an und zitiere wörtlich aus den Nachträgen von Pfarrer Johann Georg Schmid im zweiten Band der Pfarrchronik von 1821.

 

Vogt, eine eigene Pfarrei:

 

„Im Jahre 1808 wurde Vogt, früher eine Filiale hiesiger Pfarrei, zu einer eigenen Pfarrei erhoben und dann aus dem Pfarrsprengel Karsee die Filialen Bachhäusle, Bühel, Blöden, Boschen, Damos, Deibers, Füßinger, Gaukler, Glaren, Hahnen, Haag, Halden, Henggenen, Küchel, Moos, Moser, Oberspehnen, Reiften, Reute, Rohrmoos, Rothaus, Schachen, Unterhaiden, Waidegg, Waldwend, Windbühl und Wuchers ausgepfarrt.

Dagegen wurden der Pfarrei Karsee zugeteilt: aus der Pfarrei Bodnegg der Weiler Feld und die Höfe Bildspitz und Bommen, aus der Pfarrei Amtzell die Filialen Abraham, Albishaus, Baumann, Blaser, Böschlishaus, Brenner, Edenhaus, Eggenreute, Eggerts, Enderßen, Engel, Englisweiler, Felbers, Grenis, Grub, Haag, Hartmannsberg, Hochberg, Joosen, King, Kohlhaus, Luß, Mesmer?, Oberhalden, Oberhof, Oberholz, Oberwies, Riefen, Ruzenweiler, Ober- und Untersiggenhaus, Sommers, Spiegiershaus, Stadel, Steißen, Unterholz und Zeihers.

 

„Durch späteren Erlaß des kath.Kirchenraths vom 15.Jänner1820 und des bisch.Generalvikariats vom 26.Jänner 1820 wurde der Weiler Feld samt den Höfen Bildspitz und Stadels der Pfarrei Waldburg eingepfarrt, dagegen wurde aus der Pfarrei Rötenbach der Weiler Aich samt den Höfen Kehlismoos und Untersteig hiesigem Pfarrsprengel einverleibt. (Rötenbach gehörte bis 1783 zur Pfarrei Eintürnenberg d.Verf.)"

 

„Die Pfarrei Karsee gehörte zum Bistum Constanz und Landkapitel lsny und nun zum Bistum Rottenburg und zum Dekanatsbezirk Ravensburg."

„Nach vorliegendem Pfarr-Urbar wurde der Bau hiesiger Pfarrkirche im Jahre 119O angefangen und im Jahre 1194 vollendet."

 

„Bona mixta malig - Weizen und Unkraut - ist, was auch auf diese Pfarrgemeinde angewendet werden kann. Es gibt auch in dieser Gemeinde ein Gemisch von Guten und Bösen und solchen, die den Frieden lieben und suchen und solchen, die nur am Unfried sich zu ergötzen suchen.“

 

Soweit die zitierten Einträge von Pfarrer Schmid (1832-1851).

 

Dazu wäre zusammenfassend zu bemerken:

Wohl als Ausgleich für den Verlust der 27 Filialen von Vogt im Jahre 1808 wurden im selben Jahre der Pfarrei Karsee vorgenannte 36 Wohnplätze zugeteilt, die bis dahin in Amtzell eingepfarrt waren. Es bliebe zu klären, weshalb diese Siedlungen nicht seit eh und je bei uns eingepfarrt waren, da sie alle dem Pfarrort Karsee näherlagen und die Pfarrei Karsee schon seit 1275 bestand, während die St.Johanneskirche in Amtzell erst 1474 erbaut worden war.

 

Ferner ist unklar, weshalb die genannten 27 Filialen aus Vogt schon im Jahre 1808 aus Karsee ausgepfarrt wurden, obwohl die Pfarrkirche in Vogt erst 1834 erbaut wurde und Vogt seit 1480 nur die kleine Sankt Anna Kapelle besaß.

 

Wer kann's ergründen?

 

Historisch besonders hervorzuheben bleibt, daß sich die Pfarrgemeinde Karsee seit 1820 über ein Gebiet erstreckt, das 132 Jahre später auch zu einem politischen Gemeindeverband zusammengefaßt wurde und dann im Zuge der großen Verwaltungs- und Gemeindereform im Jahre 1972 mit allen Ortsteilen als Ortsverwaltung Karsee in die Große Kreisstadt Wangen überging.